ULTRA - Jenseits des italienischen Fußballs

Schon wieder ein Buch über Ultras in Italien? Ja, aber Italien geht bekanntlich immer und diesmal ist es ein ganz besonderes und zudem von einem ganz besonderen Autoren verfasst. Die Rede ist von Tobias Jones, der für dieses Machwerk und andere Recherchen einige Preise eingeheimst hat. 

Leser mit guten Gedächtnis werden sich bestimmt an die Leseprobe aus der BFU 45 erinnern. Kurze Zeit haben wir uns die Rechte am im Original auf Englisch erschienen Buch gesichert und dann nahm die Sache Fahrt auf.

Wer sich unschlüssig ist, der sich hier mittels kleinerer Auszüge ein Bild machen:

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Vorwort des Verlags

Zu den Mythen der Ultrabewegung gehört der Ursprung ihres Namens. Eine davon erzählt, wie die Fans von Torino nach einer Niederlage den Schiedsrichter bis zum Flughafen verfolgten. Sie waren nach den Worten eines Journalisten ultra, also extrem oder jenseits von. Dieses Jenseits wohnt der Bewegung seitdem inne, sowohl in positiver wie auch negativer Hinsicht und sorgt bis heute dafür, dass sie polarisiert.

In seinem Werk arbeitet sich Tobias Jones an diesem Widerspruch ab und legt beide Pole offen. Zuerst am Beispiel von Cosenza, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im italienischen mezzogiorno. Eine Stadt, deren Geschichte nicht nur mit der Antike verknüpft ist, sondern auch mit der Neuzeit, insbesondere durch die italienische Ultrabewegung.

In Cosenza geht Ultra um mehr. Um eine Bewegung, die mehr ist als die Show im Stadion und die Schlagzeilen in der Boulevard-Presse, nämlich grundlegend solidarisch, in die Gesellschaft hineinreichend. Damit stehen die Ultras von Cosenza jenseits des verkommenen italienischen Fußballs, bzw. dem modernen Fußball mit seinen turbo-kapitalistischen Ausprägungen, der sich gegenüber den Ultras in stetiger Repression zeigt: Hier noch ein Stadionverbot, da noch eine Auflage, und diese Zaunfahne ist übrigens auch verboten.

Die Fallstudie der Ultras von Cosenza kontrastiert Tobias Jones mit dem anderen Extrem der Bewegung, wo sie sich mit dem Jenseits, dem Abgründigen des modernen Fußballs gemein macht und es sogar verkörpert. Die rechtsextreme Politik, die mafiösen Verstrickungen, das Ultra-Business. Das dritte Jenseits handelt von Drogen, der Gewalt und letztlich auch
den zahlreichen Toten der italienischen Ultrabewegung und ihrem Gedenken, im religiösen Sinne, im Jenseits.

Bei uns als Ultras hat es bereits im zweiten Kapitel „klick“ gemacht, als es um das Gruppentreffen in der Casa degli Ultrà geht, dem besetzten Haus, das die Ultras der curva sud zu ihrer Zentrale gemacht haben. Direkt hinein in die Welt der Ultras von Cosenza, live und in Farbe. Ein heruntergekommenes Schulgebäude, von den Ultras wiederhergerichtet, alles rot und blau. Die Diskussionen über die nächste Auswärtsfahrt, die dann in einer allgemeinen Debatte darüber enden, wie und von wem Entscheidungen getroffen werden. Die Anarchie einer Ultragruppe, alles ein Chaos, aber alles voller Energie und für ein gemeinsames Ziel, wobei auch der Weg das Ziel sein kann. Eine Gruppe, die unvorhersehbar ist. „Du weißt nie wie viele sie sind, wann sie abfahren oder ankommen, sie kommen aus dem Nichts und vor allem bezahlen sie ihre Tickets nicht.“ Aber auch: „Dieses Überraschungselement ist nicht strategischer Natur. Es ergibt sich deshalb, weil sie selbst nicht wissen, wann oder wo sie anrollen. Vereinbarungen sind so fest wie Butter in der Sonne“. Der Spirit einer Stadt, der sich in ihrer Ultrabewegung widerspiegelt.

Dieses Jenseitige war unsere persönliche Motivation, dieses Buch auf Deutsch zu verlegen, „um das Beispiel der Ultras von Cosenza ins Bewusstsein der Leute zu bringen, zum Wohle der großartigsten Jugendbewegung, die Deutschland jemals erlebt hat. Wenigstens in unseren Augen, wobei tausende Andere vermutlich zustimmen würden“. So der Wortlaut in unserem Austausch mit Autor Tobias und seiner Verlegerin Claire, denen wir an dieser Stelle zu großem Dank verpflichtet sind. Auch nach unzähligen Stunden der Übersetzung, des Lektorats, des Layoutens hat sich an unserer Aussage nichts geändert. Wir hoffen, mit diesem Buch allen Leserinnen und Lesern – Ultras oder nicht – einen Teil der Welt der italienischen Ultrabewegung zugänglich zu machen, neue Perspektiven zu eröffnen und natürlich auch die eigene Meinung
weiter zu entwickeln.

Arne, Mirko & Funke für den BFU-Verlag